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"Embedded Feminism“ Women’s rights as justification for military intervention“ ?

Drei Frauen beim Treffen des UN-Sicherheitsrates zu Frauen, Frieden und Sicherheit.
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Security Council Meeting on Women, Peace and Security

Herzlichen Dank für die Einladung zu dieser Diskussion. „Embedded Feminism“ ist in der Tat eine schillernde wie herausfordernde Hypothese und ich möchte in meinem Statement deren Realitätsgehalt nachgehen.

Lassen sie mich aber, quasi zur Einbettung des Themas, zwei grundsätzliche Bemerkungen voranstellen, die ich vor allem auf unsere politischen Rahmenbedingungen in Deutschland beziehen möchte.

Eine erste Bemerkung zum Thema Legitimation. Bewaffnete militärische Einsätze bedürfen in ganz besonderem Maße der rechtlichen und politischen Begründung, noch stärker als bei den meisten anderen politischen Fragen und Entscheidungen. Eine Regierung kann z.B. einen Haushalt mit einer Stimme Parlamentsmehrheit durchboxen. Die Entsendung einer Truppe in einen bewaffneten Einsatz bzw. Krieg mit knapper Parlamentsmehrheit wäre politisch äußerst bedenklich.

Dies geht nicht ohne solide Legalität und Legitimität und ohne breiten gesellschaftlichen Konsens. Dies ist vor allem aus poltisch-moralischen und legitimatorischen Gründen wichtig. Es ist aber auch enorm bedeutsam für die Soldaten, die in einen lebensgefährlichen Einsatz befohlen werden, in dem sie, wie in Afghanistan in einem zivilen Umfeld kämpfen müssen, gegen höchst brutale, militärisch bewaffnete Einheiten, die überdies in ziviler Kleidung kämpfen.

Eine zweite Bemerkung zum Stichwort: „militärische Intervention“. Ich möchte daran erinnern, dass Militär ein Instrument der Politik ist, und dass einem militärischen Einsatz stets eine zivile politische Entscheidung vorausgeht, bei der ein klarer politischer Zweck vorgegeben wird bzw. vorgegeben werden sollte. Und mir ist auch wichtig, dass während eines militärischen Einsatzes der Primat der Politik fortbesteht. Die Politik bzw. die politische Führung bleibt durchgehend verantwortlich. Militärische Führung ist für militärisches Handeln verantwortlich, in dem Bewusstsein, dass sich militärische Einzelaktionen unmittelbar auf die politisch-strategische Ebene auswirken können.

Nun, vor diesem Hintergrund zu „embedded feminism“, der Hypothese, dass Frauenrechte quasi missbraucht werden, um militärische Interventionen zu begründen. Politiker haben in der Tat wiederholt Menschenrechte und Frauenrechte bei der Begründung und Suche nach Zustimmung für militärische Einsätze angesprochen. Ich möchte einmal beispielhaft Präsident Obama zitieren, der bei der Vorstellung seiner neuen Afghanistan- und Pakistan Strategie in einer Rede am 27. März 2009 in Washington folgendes gesagt hat:

“As President, my greatest responsibility is to protect the American people.  We are not in Afghanistan to control that country or to dictate its future. We are in Afghanistan to confront a common enemy that threatens the United States, our friends and our allies, and the people of Afghanistan and Pakistan who have suffered the most at the hands of violent extremists”
Und er formuliert auch einen Satz, in dem Frauen und Mädchen vorkommen.

“For the Afghan people, a return to Taliban rule would condemn their country to brutal governance, international isolation, a paralyzed economy, and the denial of basic human rights to the Afghan people -- especially women and girls”

Ich möchte auf die Art und Weise eingehen, wie Obama hier auf Frauenrechte Bezug nimmt. Er benutzt eine Kette oder auch Hierarchie von Argumenten, bei denen zunächst der Schutz des amerikanischen Volkes ganz oben steht. Frauenrechte in Afghanistan werden am Schluss der Kette genannt, sozusagen unterstützend erwähnt. Sie stehen keinesfalls im Vordergrund. Nach meiner Erinnerung sind die meisten Bezugnahmen von Politikern auf Frauenrechte im Kontext militärischer Interventionen, auch bei uns in Deutschland, ähnlich nachrangig angesiedelt. Seit 2001 sind in Afghanistan seitens der Internationalen Gemeinschaft sicher viele Fehler gemacht worden und wir sind noch weit davon entfernt, dort Frauenrechte realisiert zu haben. Dennoch ist Präsident Obama sicher zuzustimmen, dass ihre Lage unter einem erneuten Talibanregime verheerend wäre, weil die bisher erreichten Fortschritte zunichte gemacht würden.

Entscheidend für die militärische Intervention der Internationalen Staatengemeinschaft in Afghanistan 2001 waren die Terror-Angriffe am 11. September 2001. Meines Wissens hat damals niemand Frauenrechte zur Begründung der Angriffe auf Al Quaida und die Taliban in Afghanistan erwähnt. Nachdem das Talibanregime vertrieben war, stellte sich konsequent die Aufgabe des politischen und gesellschaftlichen Wiederaufbaus in Afghanistan. Es kam also zum Wechsel von einer primär militärischen zu einer primär zivilen Aufgabe mit militärischer Absicherung. Und in diesem Kontext wurden auch Frauenrechte erwähnt, erstmals prominent in der Petersberg Erklärung im Jahre 2002. Und in diesem Zusammenhang scheint mir die Erwähnung von Frauenrechten völlig gerechtfertigt zu sein.

Was bedeutet diese Einschätzung für die Hypothese des „embedded feminism“?

Ich denke, sie trifft nur sehr begrenzt die Realität, zumindest in Deutschland. Mir sind keine politischen Aussagen bekannt, wo Frauenrechte unmittelbar zur Begründung der Bundeswehrpräsenz in Afghanistan akzentuiert werden.

Ich möchte aber noch ein Stück weiter gehen. Ich würde Politikern und Redenschreibern raten, bei der Legitimierung militärischer Interventionen stets nur die harten Gründe für Interventionen zu nennen, die auch in den internen Beratungen dominieren. Andernfalls schafft man Glaubwürdigkeitslücken in Zeiten, in denen politische Glaubwürdigkeit und Vertrauen ohnehin schon zu einer knappen Ressource geworden sind. Mit anderen Worten: deklaratorische und operative Sicherheitspolitik sollten so weit wie möglich deckungsgleich sein.

Wir sollten trennen zwischen den unmittelbaren Begründungen und Rechtfertigungen für eine militärische Intervention und den Leistungen, die nach einer Intervention im Rahmen eines Wiederaufbauprogramms erbracht werden. Ein positives Beispiel liefert hier in meinen Augen das Auswärtige Amt. Auf dessen Homepage wird z.B. klar unterschieden zwischen den Fragen „Warum sind wir in Afghanistan?“ und „Was haben wir erreicht“? Nur bei der letzten Frage werden dann Leistungen für Frauen im Bildungsbereich und in der Gesundheitsversorgung erwähnt. Mir scheint es völlig legitim zu sein, in einer Leistungsbilanz auf die graduelle Verbesserung von Frauenrechten hinzuweisen und sehe darin keinen „embedded feminism“.

Erlauben Sie mir zum Schluss, dem Begriff des „embedded feminism“ einen etwas anderen Bedeutungsinhalt zu geben. Und zwar im Sinne einer ausgewogeneren Beteiligung von Frauen bzw. sicherheitspolitischen Expertinnen in Entscheidungsprozesse. Also mehr sicherheitspolitische „Gender Equality“, aber nicht nur aus normativen Gründen. Nach meiner Beobachtung besteht ein Kernproblem der internationalen Sicherheitspolitik darin, dass Regierungen sich sehr schwer tun, mit der Komplexität der Konfliktsituationen zurechtzukommen und entsprechend komplexitätsgerechte Lösungsansätze zu generieren und umzusetzen. Ich denke, dass durch eine stärkere Einbeziehung von Frauen in sicherheitspolitische Entscheidungsprozesse eine breitere Palette von Sichtweisen in die Beratungen hineingetragen würde, was für das Entwickeln zielführender Lösungsansätze nur gut sein kann.
Aber dies nur als Anregung, den Begriff des „embedded feminism“ einmal ganz anders zu verstehen, im positiven Sinne eines besseren Umganges mit den komplexen Herausforderungen im Bereich Frieden und Sicherheit.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Ich freue mich auf die Diskussion.


Statement im Rahmen der internationalen Tagung desGunda-Werner-Institutes in der Heinrich-Böll-Stiftung „ Coping with Crises, Ending Armed Conflict-Peace promoting Strategies of Women and Men